„Verantwortung und Schuld“ in einem Satz,
das ließ etwas in mir anklingen und ich habe es für mich noch einmal bewegt! Verantwortung ist laut Duden: Die Pflicht, dafür zu sorgen, dass (in bestimmten Situationen) das Notwendige und Richtige getan wird und kein Schaden entsteht und die Verpflichtung, für seine Handlungen einzustehen. Schuld ist laut Duden der Umstand, dass jemand für etwas Negatives verantwortlich ist.
Ein Problem sehe ich darin, dass wir die Begriffe „Verantwortung“ und „Schuld“ im täglichen Sprachgebrauch sehr ähnlich verwenden.
Es gab eine Zeit in meinem Leben, da fühlte ich mich ständig für die Gefühle und das Wohlergehen meiner Mitmenschen verantwortlich. Diese Verantwortung wog schwer. Ich konnte zeitweise kaum noch handeln, da ich ständig das Gefühl hatte an den schlechten Gefühlen meiner Mitmenschen Schuld zu sein. In einer Therapiesitzung damals ging es damals viel um den einen Glaubenssatz:
Ich bin verantwortlich für alles!
Natürlich war mir auf Verstandesebene schnell klar, dass das nicht stimmt, aber es fühlte sich so an.
In dem Zwiespalt es möglichst allen Menschen recht zu machen, habe ich mich erschöpft. Ich entwickelte nahezu hellseherische Fähigkeiten, um vorweg zu ahnen, was andere erwarten und diese Erwartungen dann zu erfüllen.
Ich kann heute gar nicht mehr genau sagen, was sich verändern musste, um das anders sehen zu können und aus dieser Zwickmühle aus Verantwortung und Schuld heraus zu kommen.
Ich denke, es war ein Prozess.
Ein wichtiger Schritt in diesem Prozess war es in die Selbstfürsorge zu kommen und zunächst Verantwortung für mich selbst zu übernehmen und anderen Menschen nicht mehr die Schuld an MEINEN Gefühlen zu geben.
Ich musste für mich zunächst einmal die Begrifflichkeiten und die Bezüge definieren. Ich habe mich oft verloren in dem, wie ist es für mich und wie sehe ich das für andere!? Da habe ich mit zweierlei Maß gemessen.
Mit der Eigenverantwortlichkeit kam ich raus aus der Passivität.
Schuld ist für mich etwas passives, damit übernehme ich keine Verantwortung für mein Handeln und bin auch Ohnmächtig im Anbetracht dessen, was andere tun oder eben auch nicht tun.
Zu sagen, jemand anderes sollte sich so oder so verhalten, damit es mir gut geht, bringt mich in eine Abhängigkeit von äußeren Umständen.
Ich erinnere mich an eine Situation mit meinem Sohn, ich hatte morgens auf dem Markt frische Zutaten gekauft, habe sein Lieblingsessen gekocht – meinen Vormittag damit verbracht. Mein Sohn kam aus der Schule nach Hause und ich sagte: „Schön, dass Du da bist, ich habe Dein Lieblingsessen gekocht.“ Und er erwiderte, dass er nur kurz da sei, er wolle nichts essen. Er hätte sich verabredet.
Es entspann sich eine kurze, heftige Diskussion, er verließ das Haus ohne zu essen. Ich war sauer, ich war empört! Ich empfand ihn anmaßend, völlig verzogen und gab ihm die komplette Schuld an meiner schlechten Laune.
Alle Freundinnen, mein Mann, jede Person, der ich davon erzählte, empörte sich mit mir. Eine Erziehungsberaterin, der ich damals davon berichtete, sagte nur: „Na ja, er hat Sie nicht darum gebeten!“
BÄÄM!!!
Tatsächlich! So war es! Ich hatte selbst entschieden, meinen Tag so zu verbringen! Ich durfte lernen, dass ich zu jedem Zeitpunkt eine Wahl habe.
Wenn sich jemand so verhält, dass ich es mir anders wünsche, dann kann ich das zunächst mal wahrnehmen. Mir klar werden, was ich mir gewünscht hätte und was an dem Verhalten des anderen mich eigentlich so trifft, bringt mich zurück zu mir.
Da kann ich etwas tun! Und dann kann ich handeln.
Manchmal geschehen natürlich viel schlimmere Dinge im Leben, dann darf ich das Leben auch ungerecht finden, ich darf betrauern, dass das Leben schwer ist. Ich darf mir Zeit nehmen für Trauer, Wut und all die Gefühle, die da sind. Es geht mir nie um wegmachen. Ich darf Dinge durchfühlen.
Es geht also auch immer um Akzeptanz.
„Der oder die ist schuld daran, dass dies oder jenes passiert ist“ hat eine andere Energie als der Satz: „Dies oder das ist passiert, wie kann ich in dieser Situation verantwortlich handeln?“
UND, wenn all DAS für mich gilt, dann gilt es auch für andere.
Verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin nicht zur gnadenlosen Egoistin mutiert. Es ist mir weiterhin wichtig, anderen Menschen, wenn möglich ihre Wünsche zu erfüllen, aber nicht immer und nicht um jeden Preis.
Ich habe gelernt, anderen Menschen ihre Gefühle zuzumuten – auch und gerade den Menschen, die ich liebe.
Natürlich möchte ich beispielsweise meine Kinder vor vielem bewahren. Aber in meiner Verantwortung als Mutter liegt es eben auch, ihnen das Leben zuzumuten. Es gibt kein Leben ohne negative Erfahrungen.
Und sicher mache ich nicht alles richtig, aber ich mache es so gut, wie ich es heute kann.
Das befreit mich immer mehr von dieser unsäglichen Schuldfrage. Ich empfinde das als einen tröstlichen Gedanken, meine Großeltern haben es für meine Eltern so gut gemacht, wie sie es vermochten. Meine Eltern haben es so gut gemacht, wie sie konnten und wir machen es so gut, wie wir es können.
Diesen Gedanken gebe ich den Menschen und gerade pflegenden Angehörigen und Eltern immer wieder mit und bin der Ansicht, dass dies eine Vergebungsarbeit ist, die sich lohnt zu tun – für unsere Vorfahren, für unsere Nachkommen und für uns!
Manchmal ist es hilfreich, diesen Weg nicht allein zu gehen!
Falls Sie sich Unterstützung wünschen, bin ich gerne an Ihrer Seite als achtsame Begleiterin!