Einen Menschen mit Demenz zu begleiten, bedeutet häufig schwere Entscheidungen treffen zu müssen.
Eine Fragestellung, die mich in meinen Coachings und in Therapiesitzungen immer wieder beschäftigt, wie kann es mir gut gehen, wenn mein Angehöriger jetzt im Heim leben muss?
Am Ende steht dann oft die Erkenntnis: „Ich darf gut für mich sorgen – auch wenn mein Partner oder meine Parterin (Mutter, Vater – setz bitte ein, was für Dich passt) im Heim ist“
Viele Angehörige von Menschen mit Demenz tragen eine große Last – nicht nur im Alltag, sondern auch im Herzen. Besonders Ehepartner:innen erleben oft einen tiefen inneren Konflikt:
„Ich habe versprochen, in guten wie in schlechten Tagen da zu sein – und jetzt lebt mein Mann oder meine Frau in einer stationären Einrichtung. Habe ich mein Versprechen gebrochen?“
Diese Gedanken begegnen mir häufig in der Begleitung von Angehörigen. Sie zeigen, wie stark das Gefühl von Verantwortung, Schuld und Selbstanspruch sein kann – gerade in einer Situation, die keine einfachen Lösungen bietet.
Wie entsteht innerer Druck?
Druck entsteht nicht allein durch äußere Umstände – wie die Betreuung, die Pflege, das organisatorische drumherum und medizinische Fragestellungen, die es oft ohnehin schon so unfassbar schwer machen, einen Menschen mit Demenz zu begleiten.
Der Druck verstärkt sich und hängt oft an den inneren Sätzen, die wir uns sagen:
- „Ich darf doch jetzt nicht glücklich sein.“
- „Ich muss stark sein.“
- „Ich kann doch keinen fröhlichen Abend auf einer Feier haben, solange mein Partner leidet.“
Diese Gedanken sind so verständlich – und sie zeigen, wie sehr Liebe und Fürsorge manchmal zu einer Quelle von Selbstverurteilung werden können.
Was kann helfen? Drei Entlastungspfade für Angehörige
In der Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT) und der Achtsamkeitspraxis arbeiten wir mit dem Gedanken:
Schmerz ist ein Teil des Lebens – aber Leid entsteht oft durch den inneren Kampf gegen diesen Schmerz.
Ich habe dazu bereits vielfach geschrieben: Entlastung bedeutet nicht, dass der Schmerz verschwindet. Aber es gibt Wege, leichter mit ihm zu leben.
Annehmen, was ist
Immer wieder schreibe ich von Akzeptanz, dem Zulassen und Erlauben unserer Gefühle. Und, das alle Gefühle da sein dürfen. Gefühle, wie Trauer, Schuld oder Erleichterung können und müssen nebeneinander existieren dürfen. Erleichterung ist kein Zeichen von Herzlosigkeit – sie ist oft ein Ausdruck von Erschöpfung und ein Zeichen, dass Unterstützung nun angenommen werden darf.
Verstehen statt verurteilen
Wirf einen liebevollen Blick auf Dich und sehe Dich selbst nicht als „Versager:in“. Entwickele Selbstmitgefühl für Dich. Sieh Dich als Mensch, der in einer sehr schwierigen Situation sein Bestes gibt.
Entscheidungen für eine stationäre Betreuung entstehen oft aus Liebe und Fürsorge – nicht aus Aufgabe und sie bietet oft, nicht nur dem gesunden Menschen eine Entlastung, sondern bedeutet auch für Menschen mit Demenz häufig einen „Schutzraum“ zu finden, in dem die Person nicht mehr den Ansprüchen des Alltages gehorchen muss.
Selbstfürsorge (wieder) erlauben
Sich selbst Gutes zu tun, ist kein Verrat, sondern ein Akt der Selbstachtung. Wer gut für sich sorgt, kann auch innerlich präsenter bleiben – für die Beziehung, die trotz räumlicher Trennung bestehen bleibt. Vielleicht gelingt es so auch besser im Augenblick präsent zu sein und wieder schöne Momente miteinander zu genießen.
Hilfreiche Gedanken
Alle Gefühle dürfen da sein. Es gilt, ihnen Raum zu geben und gleichzeitig sind vielleicht die folgenden Gedanken hilfreich? Dann nimm sie Dir gerne und schreibe sie dir auf, meditiere mit Ihnen und sage sie Dir vor: „Ich habe nicht aufgehört zu lieben – ich habe eine Entscheidung getroffen, um meinem Partner Sicherheit und Fürsorge zu ermöglichen.“
Und/oder der Gedanke „Ich darf traurig sein – und gleichzeitig wieder Momente des Friedens oder der Freude in mein Leben lassen.“
Die folgenden drei Fragen sind Impulse für dich. Nimm Dir einen Moment Zeit und stelle sie Dir ganz in Ruhe und beantworte sie im besten Fall schriftlich für Dich:
- Welche Gedanken machen dir besonders Druck?
- Was würdest du einem guten Freund oder einer guten Freundin sagen, der oder die in deiner Situation ist?
- Stell Dir Deinen Partner/Deine Partnerin in gesunden Tagen vor und frage Dich, was wünscht sich dein Partner oder deine Partnerin für dich?
Wenn du magst, begleite ich dich auf deinem Weg – in Gesprächen, Workshops oder auch online.
Denn: Auch du darfst gut begleitet sein.
Herzlichst Deine
Silke