Gerade mal: „nicht wissen“

In den letzten Tagen, hörte ich von vielen Angehörigen aber auch von Einrichtungsleitungen und Pflegekräften einen Satz: „Ich weiß es einfach nicht…!“

Und ich weiß es auch nicht, was richtig und was falsch ist! Ich weiß nicht, ob die Maßnahmen so richtig sind, ich weiß nicht, wie es werden soll! Es gibt so viel, was dafür spricht, aber auch einiges dagegen! Es wäre einerseits ja richtig, wenn nicht anderseits jenes stimmen würde!

Wir leben IMMER in der und mit der Polarität.

Wir bewerten und etikettieren den ganzen Tag – finden Dinge groß oder klein, leicht oder schwer, schwarz oder weiß. Wir finden das Wetter zu warm oder zu kalt!

Wir genießen die Sonne und die Wärme (oder auch nicht) und sind froh, dass wir zumindest in die Natur können, aber es droht schon die nächste Dürre.

Wir finden es richtig, die älteren Menschen und die vorerkrankten Personen zu schützen, aber wir wollen unsere Angehörigen doch sehen.

Ich habe in den letzten Tagen das Gefühl, dass Angst uns regiert und dass der Ton rauer wird. Da schreibt jemand einen Beitrag, tut oder sagt etwas und auf einmal entstehen Diskussionen, die vergleichen, anprangern und kritisieren. Da werden Gruppen zusammengefasst und diese Gruppe wird pauschal angeklagt. Beispielsweise, wie sich die jungen Leute und die alten Menschen verhalten und wer was falsch macht. Da wird geraten die Polizei zu rufen, wenn sich Menschen in Gruppen zusammentun, da werden Eltern verurteilt, die ihre kleinen Kinder mit in den Supermarkt nehmen. Da wird im Supermarkt gepöbelt, weil jemand nicht den „richtigen“ Abstand eingehalten hat. Da werden Leute verurteilt, die zu viel einkaufen und bestimmte Dinge horten.

Und ohne besonders religiös zu sein, fällt mir da gerade ein Spruch aus dem alten Buch ein: „Wer von Euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein…“.

Kann ich mir sicher sein, dass ich diejenige bin, die ALLES richtig macht?

Und was passiert eigentlich in mir und mit mir, wenn ich mich auf dieses Podest des Beurteilens stelle?

Und wie so oft werde ich erst einmal still und halte inne. Ich stelle mir in meiner Meditation so eine Situation vor: ich bin beispielsweise im Supermarkt und eine Person kommt mir zu nahe und ich denke: dieser Mensch, sollte rücksichtsvoller sein. Er sollte sich der Gefahr bewusst sein.

Und in diesem Moment der Stille kann ich merken, wie ich in der Situation hart werde, mein Körper wird starr. Ich mache mir Sorgen, ich spüre Wut und Angst. Ich erhebe mich über diese Person von der ich nichts weiß und werde unfreundlich. In solchen Situationen sage ich meistens nicht mal etwas und mache diesen Unmut nur im Stillen mit mir selber aus. In mir tobt es dann. Vielleicht sage ich sogar etwas, aber von „freundlich“ bin ich dann weit entfernt.

Diese Position, dass dieser Mensch etwas ändern muss, damit es mir in dieser Situation gut geht, macht mich handlungsunfähig. Es gibt keinen friedlichen Grund, an diesem Gedanken festzuhalten.

In der Stille kann ich dann sehen, dass ich nicht weiß, was diesen Menschen bewegt, vielleicht ist er gerade unbedacht, vielleicht ist er krank – wenn ich mir dieser Dinge bewusst werde, dann kann ich meine Reaktionen wieder kontrollieren, dann kann ich freundlich sein mit ihm und mit mir. Ich kann wieder atmen und vor allem:

Ich bekomme meine Handlungsfähigkeit zurück.

Einmal in diesem neuen Bewusstsein angekommen, habe ich eine neue neuronale Struktur in meinem Gehirn angelegt und kann in einer ähnlichen Situation nicht wieder ganz genauso handeln. Beim nächsten Mal im Supermarkt, wenn mir jemand zu nahe kommt, dann kann ich gut für mich sorgen:  ich kann lächeln (hinter meinem Mundschutz – je nach Bundesland ab Montag oder Mittwoch) und die Person beispielsweise vorlassen, dann kann ich nämlich den Abstand kontrollieren.

Ich kann freundlich tun, was immer ich für richtig halte und sagen, was ich zu sagen habe. Ich kann anfangen, zu akzeptieren, dass ich gerade nicht weiß, was richtig und falsch ist, genauso wenig, wie irgendjemand anderes.

Ich kann aufhören, mich in irgendeine Angst hineinzusteigern.

Angst ist ein schlechter Berater und würde mir wünschen, dass wir alle wieder unseren gesunden Menschenverstand einschalten und nachdem wir jetzt ein paar Wochen Entscheidungen getroffen haben, die vor allem Angst motiviert waren, könnten wir uns hinsetzen und still werden und die nächsten Schritte mit Besonnenheit gehen.

Wir werden mit Sicherheit in den nächsten Wochen, Monaten und vielleicht Jahren für uns immer wieder einen Weg finden müssen mit Verboten,  Erlässen und Empfehlungen, umzugehen. Jeder und jede einzelne ist aufgefordert, gut für sich zu sorgen und auch an andere zu denken.

Die Hilfsbereitschaft ist groß und das Interesse die Älteren, die Schwächeren und die Vorerkrankten zu schützen, ist bei vielen Menschen da.  Aber wir sollten auch wieder dahin kommen, zu differenzieren und pauschale Entscheidungen zu hinterfragen. Wollen die Älteren auf diese Weise geschützt werden, an welcher Stelle hört Fürsorge auf und wo fängt Freiheitsentziehung an? Wie viel Last können Pflegende, sowohl privat als auch beruflich, noch tragen und wo müssen wir auch das Risiko der Ansteckung eingehen – zur Entlastung aller?

 

Letztendlich sind da mehr Fragen als Antworten!

Dem „nicht wissen“ einen Raum zu geben, es da sein zu lassen, macht mich persönlich ruhig.

Mit einem ruhigen und klaren Geist entwickeln sich gute Gespräche. Offen und ohne Anklage und dann kann ein Dialog entstehen, der im besten Fall neue und kreative Ideen hervorbringt.

Brauchen Sie auch gerade Klarheit in Ihren Gedanken, Raum für Ihre  Gefühle? Dann melden Sie sich gerne!

 

Wir treffen uns dann am Telefon oder virtuell  – weiterhin mit der nötigen räumlichen Distanz! Ich freue mich darauf!

Dieser Beitrag als Podcast zum Anhören für Sie

von Silke Steinke

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