Heute am 10. Mai ist Muttertag!

Ich konnte meiner Mutter heute schon einen Blumengruß schicken und habe selbst von meinen Kindern Blumen geschenkt bekommen und bin mit einer liebevollen Umarmung heute Morgen verwöhnt worden.

Viele Menschen haben keinen Kontakt zu ihren Müttern oder diese sind bereits verstorben. Andere betreuen und begleiten ihre Mutter vielleicht zu Hause und viele Menschen vermissen die eigene Mutter heute schmerzlich. Vielleicht, weil diese das eigene Kind aufgrund einer Erkrankung nicht mehr erkennt oder weit weg wohnt oder aber, weil im Pflegeheim noch keine Besuche erlaubt sind. Die Lockerungen zum Thema Besuch in den Heimen sind zwar auf dem Weg, sind aber noch nicht umgesetzt worden. Viele Häuser und Wohneinrichtungen haben vieles ermöglicht. Kreative Lösungen wurden aller Orts gesucht und oft gefunden. Aber in vielen Häusern läuft es, aus den verschiedenen Gründen, noch nicht rund.

Und selbst, wenn die Besuche wieder möglich sind, ist ja immer noch der körperliche Abstand einzuhalten – das heißt, eine herzliche Umarmung wird noch länger nicht möglich sein.

 

Heute werden bestimmt viele Blumen, Postkarten und Bilder geschickt. Ein Tag, der Anlass gibt über die eigene Mutter und die Beziehung zu ihr nachzudenken.

Eher durch Zufall hat es sich bei mir in den letzten Tagen ergeben, dass ich auf meinem morgendlichen Spaziergang an eine Begebenheit aus meinen Kindertagen denken musste.

Auf einem achtsamen Spaziergang ging es in einer kleinen Übung darum, die Dinge, die ich sehe zu benennen, ohne sie zu bewerten oder mich in Gedanken über diese Gegenstände zu verlieren.

Ich ging also 20 Minuten meinen üblichen Spaziergehweg entlang und benannte die Dinge, die ich sah:

Baum, Strauch, Blume, Rasen, Weg, Baum, Blüte, Mann, Hund…

und wie es so ist, verloren sich meine Gedanken in Geschichten,

die meinem Geist so zu den verschiedenen Dingen einfielen.

„Ach, der Apfelbaum blüht aber wirklich schön in diesem Jahr!“ „Ob sich Herr W. wohl wundert, dass ich heute ohne meinen Hund unterwegs bin?“ „Ach ja, ich wollte ja achtsam sein: Baum, Blume, Gänseblümchen, Löwenzahn, Sumpfdotterblume, ich habe meiner Mutter als 7-jährige einen ganzen Strauß gepflückt und sie hat ihn in den Müll geschmissen…“.

Mir wurde bei diesem Spaziergang bewusst, dass ich zu allem da draußen eine Geschichte habe!

Im Rahmen meiner Schulungen zum Thema „Demenz“ weiß ich, dass unser Gehirn genau so funktioniert:  Wir legen unser Wissen in Form von Konzepten ab und Nervenzellen, die sich verbunden haben, die feuern zusammen. Wenn wir beispielsweise das Wort „Apfel“ hören, dann wissen wir, wie ein Apfel aussieht, wie er riecht, wie schmeckt, wie man ihn anpflanzt, wie man ihn erntet, was man daraus alles machen kann und wie zum Beispiel Apfelmus schmeckt, ob wir es mögen oder nicht und wie da damals war, als….ich denke, Sie wissen, was ich meine.

Und dieses Wissen, das wir da in unserem Kopf abgespeichert haben, geht noch weiter, da hängen Körpererinnerungen und Emotionen dran. Dieses Wissen, um die Verdrahtung von Nervenzellen, ist unglaublich hilfreich, wenn man sich selbst, andere Menschen und speziell Menschen mit Demenz verstehen möchte.

Wenn ein Mensch also beispielsweise ein bestimmtes Essen mit etwas angenehmen verbindet, dann schenkt ihm dieses Essen vielleicht Trost. Das funktioniert allerdings auch in die andere Richtung. Das heißt, wenn beispielsweise eine negative Erinnerung mit einem bestimmten Geruch verknüpft ist, dann reicht der Geruch allein aus, um eine entsprechende negative Emotion auszulösen. Oft wissen wir um diese Verknüpfung nicht und können uns somit nicht erklären, warum wir in einer bestimmten Situation immer schlechte Laune bekommen.

Zurück zu meiner Löwenzahngeschichte und dem Muttertag – als ich also sieben Jahre alt war, habe ich eine riesen Strauß Sumpfdotterblumen für meine Mutter gepflückt.

Kleiner Exkurs: ich habe die gelben Blumen, die aus dem Löwenzahn wachsen, heute als „Butterblumen“ bezeichnet. Ich habe dann lernen dürfen, dass diese Blumen, die da aus dem Löwenzahn wachsen, zunächst richtiger Weise „Sumpfdotterblumen“ genannt werden und in einem späteren Stadium dann zu „Pusteblumen“ werden.

Aber weiter mit meiner Geschichte:

ich habe ihn voller Stolz überreicht – den üppigen, gelben Strauß!

Die Details weiß ich gar nicht mehr.

In meiner Erinnerung sehe ich die Blumen aber später im Mülleimer liegen. Ich war empört, dass meine Mutter diesen liebevoll gepflückten Strauß einfach weggeschmissen hatte. Auf meine Nachfrage, sagte sie in meiner Erinnerung so etwas, wie, „der Saft von „Hundeblumen“ (noch so ein Name für diese Pflanze) ist sooo giftig“ und, sie hätte sich zwar gefreut, aber die Blumen sähen in einigen Stunden sowieso nicht mehr schön aus und sie seien giftig und es ist eben vernünftiger, sie in den Müll zu schmeißen. ‚Und jetzt geh´ Dir erst einmal die Hände waschen.‘

Heute Morgen fiel mir dies alles wieder ein.

40 Jahre später google ich also erstmal, ob die Milch im Stängel wirklich soooo giftig ist. Kann ja eigentlich nicht sein, packe ich mir doch heute Löwenzahn regelmäßig in meinen Smoothie. Nein, das Blatt des Löwenzahns ist nicht giftig. Aber ich erfahre, dass der Milchsaft in den Stängeln der Pflanze Taraxacin enthält und das dies tatsächlich leicht giftig sein kann. Zumindest aber unbekömmlich ist.

Was ich viel spannender finde:  diese Geschichte läuft seit Jahrzehnten im Hintergrund ab, wenn ich eine entsprechende Blüte sehe!

Was für eine Geschichte. Aber ist diese Geschichte überhaupt wahr?

Heute habe ich meine Mutter mal befragt, ob sie sich an diesen Muttertagsstrauß erinnern kann.

Sie musste lachen!

Ich fragte sie, was für eine Erinnerung sie dazu im Kopf hat. Sie sagte, es täte ihr so leid, dass ihre erste Reaktion damals gewesen sei, zu sagen, dass die doch giftig seien. Aber dann hätte sie den Strauß in ein Gefäß auf den Tisch gestellt. Sie musste sich sehr überwinden, sich nicht zu sehr zu ekeln, denn, so wörtlich „die heißen Hundeblumen, weil da die Hunde immer gegen pinkeln! Am liebsten hätte ich sie weggeschmissen, aber das konnte ich ja nicht, denn das wollte ich ja nicht, dass Du denkst, ich habe deine Blumen nicht schön gefunden!“.

Ich erzählte ihr meine Version der Geschichte! Wir mussten lachen!

Wenn es nicht so lustig wäre, wäre es fast tragisch! Sie hat sich damals so überwunden, um meine Blumen nicht wegzuschmeißen und um eine „gute“ Mutter zu sein und ich habe trotzdem abgespeichert, dass sie genau das getan hat und habe die Empörung und den Schmerz darüber in meiner Erinnerung abgelegt. Vielleicht hat es mich im Hintergrund beim Auswählen eines Geschenkes immer beeinflusst!?

Wir werden nicht mehr feststellen könne, welche unserer Erinnerung der Realität entspricht. Aber wie oft verbiegen wir uns im Leben, um anderen Menschen gerecht zu werden. Und wie viele Gedanken glauben wir ungeprüft. Es gibt nicht die eine wahre und einzig richtige Wahrheit. Eine Geschichte hat immer viele Seiten.

Ich bin gerade unendlich dankbar, dass ich diese Erinnerung mit meiner Mutter abgleichen konnte.

Danke, liebe Mama, dass Du immer Dein Bestes gegeben hast!

Das tue ich heute als Mutter auch!

Und stelle in meinem „Mutter-sein“ fest, dass ich immer mein Bestes tue und dass ich trotzdem nicht die Verantwortung für die Gefühle meiner Kinder übernehmen kann. Sie erleben ihre eigenen Geschichten und machen daraus ihre eigenen Wahrheiten. Ich kann sie nur begleiten, den Rahmen halten und mein Bestes geben!

Das entlastet mich als Mutter und es entlastet meine Beziehung zu meiner Mutter! Mama, wenn Du das liest: DANKE – ich hab Dich lieb!

All diese Erkenntnisse steckten heute für mich in einer „Hundeblume“ – ist das nicht erstaunlich?

 

Und auch, wenn das Gegenüber für einen Realitätsabgleich nicht mehr anwesend ist und/oder aufgrund einer Demenz nicht mehr gefragt werden kann oder wenn Sie vielleicht nicht den Mut finden, über die Vergangenheit zu sprechen, sind Sie und ich, wir alle,  frei, die Geschichten und Erinnerungen zu hinterfragen und unsere Erinnerungen neu zu schreiben!

Ich lernte heute eine ganze Menge!

Es ist immer meine erinnerte Geschichte, die mir Stress macht. Spannenderweise komme ich diesen Geschichten durch Achtsamkeit auf die Spur und habe dann viele Werkzeuge in meinem Methodenkoffer, mit denen ich mir diese Gedanken angucken kann. Ich verstehe das Verhalten anderer Menschen besser und merke, dass ich gar nicht darüber diskutieren muss, welche Version der Geschichte denn nun stimmt. Und ich merke, dass ich an den Gefühlen anderer Menschen nichts ändern kann.

Das ist so entlastend!

Wenn auch Sie Ihre Beziehungen klären möchten oder verstehen möchten, warum manche Dinge auslösen, was sie auslösen, dann rufen Sie mich an – gemeinsam machen wir uns auf Spurensuche!

Ich freue mich auf Sie!

Dieser Beitrag als Podcast zum Anhören für Sie

von Silke Steinke

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